(eine Andacht von Pastor Martin Kaminski)
Vor einigen Tagen schickte mir eine Freundin ein Video zu. Zu sehen war eine Mutter, deren Sohn Emmett Till vor Jahrzehnten von mehreren Männern brutal misshandelt und dann ermordet worden war. Mrs. Till (Bild unten) war inzwischen 81 Jahre alt und sprach über die Lehren, die sie persönlich aus dieser Tragödie gezogen hatte.
Sie sprach über ihren Glauben. Was sie sagte, hat mich tief bewegt. Gott habe ihr gesagt, dass sie die Täter nicht hassen solle. Sein sei die Rache. Sie solle viel mehr dafür sorgen, dass junge Menschen nicht Hass, sondern Liebe lernten.
Von dieser alten, relativ kleinen Frau ging eine Milde aus, die mich sehr beeindruckte. Gleichzeitig schien sie unbesiegbar zu sein. Als sie darüber sprach, dass die Mörder ihres Sohnes keine Reue gezeigt hätten, war keine Bitterkeit in ihrer Stimme. Sie wirkte gelassen und sagte, dass nicht sie für die Begleichung der Schuld sorgen müsse. Dies würde Gott erledigen. Sie hatte es ganz offensichtlich geschafft. Sie hatte geschafft, was Jesus den Menschen ans Herz legte: Liebt eure Feinde!
Diese Liebe verringert nicht den Schmerz, den diese Mutter bis heute empfindet. Sie macht kein Leid der Welt kleiner. Aber offensichtlich, hat diese Liebe verhindert, dass das Herz der Mutter selbst durch Hass Schaden nahm.
Vor knapp drei Jahren wurde Christian, ein junger Mann aus meiner alten Gemeinde von einem anderen jungen Mann ermordet. Trotz größtem Schmerz, sagte auch in diesem Fall die Mutter des Ermordeten, dass sie unendliche Trauer empfinde, aber keinen Hass.
Wie ist das nur möglich? Ist es nicht fast zwangsläufig, dass man hasst und Vergeltung fordert, wenn so etwas schreckliches geschehen ist? Schlag und Gegenschlag? Angriff und Verteidigung?
Als ganz am Anfang der Bibel, Kain seinen Bruder Abel erschlägt, fragt Gott:
“Kain, wo ist dein Bruder Abel?”
Und Kain fragt zurück:
“Soll ich meines Bruders Hüter sein?”
Ja, Kain. Du sollst deines Menschenbruders Hüter sein! Du sollst nicht töten und niemanden quälen. Emmet, Christian, Abel. Manchmal wünschte ich, die drei hätten sich verteidigen können. Und dann erinnere ich mich an Jesus am Kreuz.
Er hat sich nicht verteidigt, nicht gewehrt – und uns damit etwas gezeigt.